Im5.

Häufigkeit und Symptomatologie des Bauchaortenaneurysmas in einem 5-Jahres-Sektionsgut an der Medizinischen Akademie Magdeburg. Müller, Th., P.Buhtz, D. Eckstein u. E. Schenk Z. arztl. Fortbild. 73 (1979), 803-805



Zusammenfassung

An Hand eines 5-jährigen Sektionsgutes der Medizinischen Akademie Magdeburg von 1970 bis 1974 werden Häufigkeit, Lokalisation und Rupturfälle von Aneurysmen der Bauchaorta dargestellt. Neben dem differentialdiagnostischen Problem der Ruptur wird ausführlicher auf die Symptomatologie nichtruptierender Aortenaneurysmen im Bauchraum eingegangen. Es werden praktische Hinweise abgeleitet.

Sachwörter: Bauchaorteneurysma, Symptomatologie, Häufigkeit, Sektionsgut, Differentialdiagnostik.

Durch den allgemeinen Rückgang der Syphilis und die gestiegene Lebenserwartung der Menschen bedingt, finden sich Aneurysmen der Aorta heute zum überwiegenden Teil im Bauchraum (Kraus u. a. 1973) und sind fast ausschließlich arteriosklerotischer Genese (Körge u. a. 1975). Die Einteilung in asymptomatische, symptomatische und ruptierte Aneurysmen hat sich bewährt, wobei das Rupturereignis die folgenschwerste Komplikation darstellt (Heyn 1974, Heinrich 1976). Ziel unserer Bemühungen sollte es sein, das Aneurysma im asymptomatischen beziehungsweise symptomatischen Stadium zu diagnostizieren und gegebenenfalls einer selektiven Behandlung zuzuführen, da diese gegenüber dem Spontanverlauf beziehungsweise Noteingriff bei Ruptur wesentlich bessere Ergebnisse aufzuweisen hat (Heberer u. a. 1972, David u. a. 1974, Heyn u.a. 1974). Aus diesem Grunde ist es sinnvoll und praktisch wichtig, Untersuchungen zur Häufigkeit und Symptomatologie von Aneurysmen der Aorta abdominalis vorzunehmen.

Ergebnisse

Im 5-Jahres-Zeitraum 1970 bis 1974 fanden sich bei 4705 Erwachsenensektionen an der Medizinischen Akademie Magdeburg in 74 Fällen (+ 1,6 %) 96 unterschiedlich große Aneurysmen der Aorta und /oder Iliakalarterien. Die durch Arteriosklerose mehr gefährdeten Männer überwiegen mit 56 Fällen (= 75,8 %) gegenüber 18 Frauen (= 24,2 %). Die Altersverteilung des Sektionsgutes ist aus Abb. 1 ersichtlich. Bei 58 Sektionen fand sich ein solitäres Aneurysma, wogegen bei 10 Patienten 2 und 6 Patienten 3 Aneurysmen bestanden. Lokalisation und Häufigkeit gehen aus Abb. 2 hervor. Die thorakalen Aneurysmen finde der Vollständigkeit halber Erwähnung. Aus der Abb. 2 ist ersichtlich, daß arteriosklerotische Aneurysmen eindeutig den Bauchraum bevorzugen. Dabei kommt hinsichtlich Häufigkeit und Rupturereignis (...) Sitz die größte Bedeutung zu (Abb. 3 und 4). Im obigen Sektionsgut fanden sich 6 Rupturfälle eines Bauchaortenaneurysmas. Alle wiesen ein retroperitoneales (...) auf und kamen nach Stunden bis zu einem halben Tag ad exitum. Es handelte sich ausschließlich um männliche Personen. Folgende Einweisungs- beziehungsweise Klinikdiagnosen wurden gestellt:
  2mal Myokardinfarkt
1mal Sigmatumor mit Kompressionserscheinungen
1mal Aneurysmablutung
1mal Schock unklarer Genese.


Aus den Krankenunterlagen geht hervor, daß in allen Fällen ein Tumor in abdomine palpiert wurde, der erst durch Obduktion differenziert werden konnte.

Diskussion

Wie Eingangs betont, hat sich die Einteilung der Aneurysmen in asymptomatische, symptomatische und rupturierende praktisch bewährt. Insgesamt ist über Symptomatologie und Behandlungsmöglichkeiten noch immer zu wenig bekannt, wie auch unsere Aufstellung zeigt. Asymtomatische Aneurysmen sind nur durch besondere Sorgfalt während der klinischen Untersuchung zu diagnostizieren, wobei als einziges Leitsymptom ein unterschiedlich großer Tumor im Bauchraum palpiert werden kann. David, Marks und Bohneval (1974) geben ihre Häufigkeit mit 18 % an. Bei den symptomatischen Aneurysmen unterscheidet Heinrich (1976) kleine ruhende von penetrierenden. Erstere verursachen Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen, sowie bei jedem 10. Patienten eine Klaudikatiosymptomatik. Die klinische Untersuchung kann einen pulsierenden Tumor in abdomme, Meteorismus sowie herabgesezte periphere Pulse ergeben. Penetrierende Aneurysmen verursachen häufig heftige Leibschmerzen, Darmträgheit und Unruhe des Patienten. Zwei Drittel dieser Aneurysmen sind palpabel und auskultatorisch nachweisbar. Leistenpulse und Blutdruck könnten erniedrigt sein. Im Röntgennegativbild gelingt bisweilen der Nachweis eines Tumors mit Kalkspangen (Kraus u. a. 1973). Von endgültiger Beweiskraft ist das Serienangiogramm. Die Perforation als schwierigste Komplikation kann sich verschieden darstellen. Erfolgt sie in die freie Bauchhöhle, so tritt rasch ein Entblutungsschock ein. Retroperitoneale Blutungen, wie sie in unserem Sektionsgut ausschließlich vorkamen, führen zu einem schnellwachsenden Tumor und Dauerschmerz in diesem Bereich. Der Exitus letalis tritt oft verzögert nach Stunden bis Tagen auf. Dieser Tatsache verdankt die Erscheinungsform ihre häufige Fehldiagnosen. Die an Häufigkeit dominierenden infrarenalen Aneurysmen lassen sich leicht durch Bifurkationsprothesen ersetzen. Aus diesen Gesichtspunkten leiten sich wesentliche Aspekte für die Klinik der nichtruptierten und ruptierten Aneurysmen der Bauchaorta ab. Eine chirurgische Intervention kann nur in angiochirurgischen Zentren erfolgen, wodurch eine Begrenzung der Wirksamkeit gegeben ist. Nach der Literatur liegt die Operationsletalität zwischen 50 - 80 % (Heyn und Neugebauer 1974. Heberer 1972. Müller 1974). Ziel unserer diagnostischen Bemühungen muß es sein, Aneurysmaträger einem Selektiveingriff zuzuführen, da hier die Operationsletalität bei 5- 10 % (Heyn und Neugebauer 1974) liegt. Uberdies verdeifacht der operative Eingriff die Überlebensdauer gegenüber dem Spontanverlauf (Heberer u. a. 1971).

Schlußfolgerungen

In unserem Sektionsgut hat sich eine relative Häufigkeit (1,6 %) von Aneurysmen der Bauchaorta gezeigt. Bei nichtruptierten Formen wird die Diagnose klinisch zu selten gestellt, im Rupturfall kommt es häufig zu Fehldiagnosen mit tödlichem Ausgang. Dies deckt sich mit den umfangeichen Studien von Körge und Mitarb. (1975) sowie zahlreichen anderen Autoren. Aus diesem Grunde halten wir es für berechtigt, auf 3 Gesichtspunkte besonders hinzuweisen:
1.

Bei älteren männlichen Patienten, die über unklare Abdominialbeschwerden klagen, besonders von Arteriosklerose (Adipositas, Diabetes mellitus) und andere pradisponierende Faktoren bestehen, muß an das mögliche Vorliegeneines Bauchaortenaneurysmas gedacht werden. Nach gründlicher klinischer Untersuchung kann gelegentlich ein Seriengiogramm erforderlich werden.

2.

Die klinischen Diagnosen Heus, Myokardinfarkt, Pankreatitis und zerebrale Arteriosklerose sind häufigste Fehldiagnosen der Aneurysmaperforation. In unsicheren Fällen sollte deshalb die Möglichkeit erwogen und ausgeschlossen werden.

3.

Man denke stets an die Tatsache, daß der Selektiveingriff mit einer Letalität von 5 - 10 % für den Patienten eine wesentlich günstigere Prognose als Spontanverlauf und Ruptur darstellt.



Literatur

1. David, J. P., Marks, Ch. Und Bonneval, M.: (...)(1974),591 -594.
2. Heberer; G.: Chirurg 13 (1972), 162 - 169.
3. Heinrich, P.: Gefäßchirurgie. Johann Ambrosius Barth, Leipzig, 1976.
4. Heyn, G. und Neugebauer, J.: Zbl. Chir. 99 (1974), 1260 - 1267.
5. Körge, K. Muraschew, E. und Pokk, L.: Tagungsbericht Ges. Inn. Med. der DDR 30 (1975).
6. Kraus, R., Klemencic, J., und Struad, R.:Radiologie 13 (1973), 341 - 344.
7. Müller - Wiefel, H.: Med. Mschr. 28 (1974), 188 - 195.
8. Neugebauer, J., Heyn, G., und Gusse, D.: Zbl. Chir. 92 (1967), 2823 - 2830

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