23.

Eckstein, D.: Zur Begriffsbestimmung von "Archiv" versus "Speicher"

Gliederung

1. Problemstellung
2. Derzeitige Situation hinsichtlich Sprachgebrauch
3. Schlußfolgerungen
4. Zusammenfassung
    Literatur

1. Problemstellung

In den letzten Jahren ist die Verwendung der Begriffe "Archiv(ierung) und Speicher(ung)" zum einen immer uneinheitlicher geworden und zum anderen auch praktisch im Sinne gleicher Bedeutung zu verzeichnen. Besonders verwirrend ist es, wenn beide Begriffe in einem Satz, sozusagen in einem Atemzuge, genannt werden (1, Storage" als "Speicherung" übersetzt). Schon vor Jahren ist versucht worden, etwas Klarheit in diese Begriffswelt zu bringen, indem damals von einer "Kurzzeitarchivierung" im Gegensatz zur "Langzeitarchivierung" gesprochen wurde (2) , aber nun ist festzustellen, dass diese Trennung nicht deutlich genug ist, weil sich (zumindest im medizinischen Bereich) die Aufbewahrungsfrist verlängert hat: von 30 Jahren bis zu lebenslang. Gleichzeitig sind Sicherheitsfragen durch moderne Methoden, wie z.B. das Internet (3) , mehr in den Vordergrund gerückt worden, die neue Anforderungen an Medien ergeben. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß das klassische Archivmedium Papier im weitesten Sinn seit Jahren dem nicht mehr gerecht wird. Der Mikrofilm konnte jedoch seinen Platz behaupten (4 , 5 , 6) . Gleichzeitig ist eine Fülle von Problemen auch bei elektronisch-optischen Medien, z.B. Datenverluste, aufgetreten, so dass kaum ein ernst zu nehmender Informatiker noch von elektronischen Medien als Archivmedien spricht (7, 8, 9)

2. Derzeitige Situation hinsichtlich Sprachgebrauch

Die Verwendung beider Begriffe ist unter den Medizininformatikern uneinheitlich, neue Definitionen liegen nicht vor, auch nicht im Handbuch "Medizinische Dokumentation und Statistik" (10). Auch SCHMÜCKER (11) äußert sich hinsichtlich der Problematik nahezu wörtlich wie folgt: "Es gibt keine digitalen Archivmedien, sie sind Speichermedien." Eben deswegen muss aber z.B. die Verwendung des Begriffs "Dokumentenmanagement- und Archivierungssystem" Verwunderung erregen.
Schließlich verbleibt so der Vergleich mit (großen) Lexika im deutschsprachigen Raum, worüber im folgenden berichtet werden soll. Es erwies sich sinnvoll, die Untersuchung der Stichworte "Archiv" (12, 13) und "Speicher" (14, 15) ggf. einschließlich abgeleiteter Begriffe vorzunehmen.
Dabei fällt generell auf, dass innerhalb beider Stichworte deut- lich schon dahingehend getrennt wird, dass beim Begriff "Archiv" nicht der Begriff "Speicher" auftaucht, der umgekehrte Fall tritt auch nicht ein. Auch ist die Herleitung der beiden Begriffe aus alten Sprachen a priori trennend:
  • Archiv (grch., lat.): Regierungs-, Amtsgebäude
  • Speicher (lat.): Ähre (wegen primärem Bezug zur Landwirtschaft im Sinne von Vorratslager, später auch sekundär auf Elektronik bezogen, Anm. d . Autors)
in der näheren Beschreibung steht dann der Archivbegriff für etwas schon weitaus sehr Langfristiges, eher Papier betreffend, mehr an staatlichen Archiven orientiert, die Medizin bringt sich vielleicht unter "Hochschularchiv" ein, wobei ein direkter Bezug zur Archivierung in der Medizin interessanterweise nicht auftaucht. Es wird in beiden Publikationen auf Urkundenaufbewahrung hingewiesen. Die Erwähnung von elektronischen Medien ist (Sinnvollerweise) ausschließlich auf das Erfassen und Erschließen, kurz im Sinne eines Dokumentenmanagements, bezogen.
Anders bei dem Begriff "Speicher": Eine eigene Untergruppe zur Datenverarbeitung wird gebildet und ausführlich behandelt. Allerdings ist die "Aufbewahrung" mit teilweise - so wörtlich - "kurzfristig bis nahezu beliebig" äußerst unscharf dargestellt. Interessanterweise wird aber demgegenüber Bezug auf "memory" und "storage" genommen.
Als wichtigste Kriterien elektronischer Medien für die Beurteilung werden Speicherkapazität und Zugriffszeit (und eben nicht langfristige Haltbarkeit der Informationen) herausgestellt.

3. Schlussfolgerungen

Der Gebrauch der beiden Begriffe "Archiv" und "Speicher" ist in der Fachwelt, nicht nur die Medizin betreffend, verwirrend und zwar dergestalt, dass man sich nicht mehr eindeutig austauschen kann. Insbesondere in der Medizin, weil wohl eine lebenslange Aufbewahrung patientenbezogener Informationen im Kommen ist, sollte eine Klarheit in der Begriffswelt herrschen. Darüber hinaus ist auch in anderen Bereichen, z.B. in der Wirtschaft eine längerfristige Aufbewahrung von Dokumenten oder urkundenähnlichen Schriftstücken nötig (16). Ernstgenommen werden sollten dabei auch (endlich) die unzähligen Berichte über Datenverluste und vor allem die hinderliche Migrationnotwendigkeit auch sogenannter harter elektronischer Medien (Auswahl 17, 18, 19).
Zu beachten sind auch allgemeine Erfahrungen aus der Informatik, so z.B. die These des "Wandels des Wissens" in einem Fachgebiet etwa aller 5 Jahre.
Schließlich ist nun wohl ein klarer zeitlicher Bezug zu beiden Begriffen einzuführen, im folgenden als Vorschlag:
  • "Speicherung": 0 - 5 Jahre (und mehr)
  • "Archivierung": 6 - 100 Jahre(und mehr)
Als Techniken haben sich dabei mit Abstand für die Speicherung und den Datenaustausch elektronische Medien, für die Archivierung der Mikrofilm bewährt.

4. Zusammenfassung

Die Begriffe "Archiv" und "Speicher" werden in der Informatik nicht einheitlich benutzt, dergestalt, dass man sich nicht mehr eindeutig austauschen kann. Der Fortschritt braucht aber Eindeutigkeit, so dass der Vorschlag ergeht, hinsichtlich der zeitlichen Komponente für die Speicherung 0 - 5 Jahre und für die Archivierung 6 - 100 Jahre und mehr anzusetzen.

Literatur

  1. ENGELHARDT, K.: "Storage für Archivierung von Dokumenten".Info 21, 5 , 2000, S. 27
  2. ECKSTEIN, D.: "Demands of justice to a long-term record - a report in the point of view in practice microfilm taking into consideration medical questions in Germany." Juli 1997, Picture 2. Internet www.gmds.de siehe Arbeitsgruppen, dort UAG "Mikrofilmtechnik und Medizin"
  3. ECKSTEIN, D.: "Medizinisches Archiv und Internet" Oktober 2000, Zusammenfassung Internet www.gmds.de siehe Arbeitsgruppen, dort UAG "Mikrofilmtechnik und Medizin"
  4. HOFMAIER, D.: "Preisträger des IMC-Award in Berlin geehrt" Infodoc 6(1994), S. 42
  5. Umfrage der UAG "Mikrofilmtechnik und Medizin", November 1994
  6. MÜLLER-SAALA (Eching). Vortrag AG-Treffen "Archivierung von Krankenunterlagen". Quedlinburg, Mai 2001
  7. MÜLLER-SAALA, H. (Eching). Pers. Mitt. September 1995
  8. EDER, R. (Tübingen). Vortrag AG-Treffen "Archivierung von Krankenunterlagen", Heidelberg, Dezember 1997
  9. STEPANEK, M.: "From digits to dust." Business week, April 1998
  10. KAESTNER-SCHINDLER, I.: Medizinische Dokumentation und Statistik. ecomed Landsberg/Lech 1983
  11. SCHMÜCKER, P. Vortrag AG "Archivierung von Krankenunterlagen" Ulm Dezember 2000
  12. Verlagsgruppe Bertelsmann GMBH, Bertelsmann Lexikothek Verlag GMBH, Gütersloh, 1990
  13. Brockhaus-Enzyklopädie, Brockhaus Mannheim, 1987
  14. Brockhaus-Enzyklopädie, Brockhaus Mannheim, 1993
  15. Verlagsgruppe Bertelsmann GMBH, Bertelsmann Lexikothek Verlag GMBH, 1991
  16. MÜLLER-SAALA, H. "Dokumente und Informationen sicher speichern und archivieren?" Electronic Office XI, 2000, s. 78
  17. -.: "100 Jahre garantiert." Info 21, 6, 2000, S . 46
  18. MÜLLER-SAALA, H.: "Welche abgelegten, gespeicherten und/oder archivierten Informationen wird man in 30, 50 oder 100 Jahren noch lesen können?" Electronic Office IX 1999, s. 50
  19. Protokoll der 30. Beratung der UAG "Mikrofilmtechnik" der AG "Archivierung von Krankenunterlagen", Quedlinburg Mai 2001, S. 3, 4 und 6.


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