20.

Eckstein, D., Lerche, B. und Schlosser, E.: Mikrofilme für patientenbezogene Informationen im Gesundheitswesen der DDR Bild und Ton 41 ( 1988 ) 74 - 76

1. Vormerkungen

In den siebziger Jahren nahmen Mitteilungen über Mikrofilmanwendungen in den medizinischen Archiven zu [1], [2], [3], [4], [5], [6]. Die DDR trug dieser Entwicklung im Jahr 1977 Rechnung, indem auf Initiative der ehemaligen Leitstelle für Organisation und Leitung der Forschung und Ausbildung der TU Dresden mit Unterstützung durch das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen und das Ministerium für Gesundheitswesen ein Gremium mit der Bezeichnung " Mikrofilmtechnik (MFT) in der medizinischen Betreuung" geschaffen wurde. Gemäß der Anweisung 10/1978 des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen erfolgte die Anbindung im Rahmen der zentralen Arbeitsgruppe " MFT im Hochschulwesen". In folgendem sollen ihre Entwicklung, ihr Anliegen, die erreichten Ergebnisse und die Vorhaben für die nächste Zeit dargestellt werden. Dabei ist es Ziel vorliegender Publikation, einerseits die Thematik generell aus heutiger Sicht zu beleuchten und andererseits beispielhaft über die 10jährige ununterbrochene Tätigkeit einer Arbeitsgruppe zu berichten, die weitgehend Fragen zweier Ministerienbereiche bearbeitet. Die Arbeitsgruppe (AG) " MFT in der medizinischen Betreuung" begann neben der Literaturauswertung mit einer Ist - Stand - Analyse in der DDR, wobei mit 993 größeren medizinischen Einrichtungen der DDR hinsichtlich der Vorhaben zur MFT - Anwendung in den medizinischen Archiven in Verbindung getreten wurde. Die bereits vorliegenden Aktivitäten im Kreiskrankenhaus Forst und im Bezirkskrankenhaus Schwerin wurden ausgewertet und die Bemühungen von medizinischen Einrichtungen, die sich im Stadium der Einsatzvorbereitung befanden, unterstützt. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch ist organisiert worden, er fand im allgemeinen in Einrichtungen mit MFT - Anwendung oder Partnern der AG statt. Nach Umwandlung der zentralen Arbeitsgruppe " Mikrofilmtechnik im Hochschulwesen" in eine Konsultationsstelle am Zentralinstitut für Hochschulbildung ab 1.1.1985 blieb die Arbeitsgruppe " Mikrofilmtechnik in der medizinischen Betreuung" bestehen. Der erweiterte Kreis der AG besteht derzeit aus 16 Mitarbeitern, wobei sämtliche medizinische Einrichtungen der DDR mit MFT - Anwendung in der medizinischen Betreuung sowie Partner präsent sind:
- Nutzer: Arzt, Schwester, Sekretärin, Verwaltungspersonal;
- Betriebe: Kombinat VEB Carl Zeiss JENA, VEB Kombinat Robotron, VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen;
- Institute: Institut für Wissenschaftsinformation in der Medizin (IWIM), Zentralinstitut für Information; und Dokumentation (ZIID), Institut für medizinische Statistik und Datenverarbeitung;
- Konventionelle Archivierung: VEB Organisationstechnik Eisenberg;
- EDV: Charité Berlin, Medizinische Akademie Dresden. Der Aufwand zur Steuerung und Organisation eines derartig "heterogen" zusammengesetzten Gremiums ist nicht gering, zumal die Mitarbeit im Prinzip ehrenamtlich ist. Aber gerade die Tatsache, daß ein "innerer Bedarf" für einen sachbezogenen Erfahrungsaustausch vorhanden ist, hat wohl auch dazu geführt, daß die AG einige interessante Ergebnisse erreicht hat.

2. Stand

Eine Aufstellung von Krankenhäusern der DDR, die mit Mikrofilm im Archiv arbeiten, zeigt Tabelle 1, wobei sich weitere Institutionen im Stadium der Einsatzvorbereitung befinden. Die Tabelle zeigt, dass - der internationalen Literatur entsprechend - unterschiedliche Herangehensweisen in der Medizin zu verzeichnen sind. Auch die 16 mm-Rollfilm-Jacket-Systeme sind stark variiert worden. Teilweise kann man die Beispiele aus Tabelle 1 als Modellfälle bezeichnen, zumal sie sich inzwischen in der Praxis bewährt haben.

Medizinische Einrichtungen der DDR mit Anwendung der MFT für die Speicherung patientenbezogener Informationen.

Einrichtung MFT-System Verfilmende Institution Verfilmung seit Verfilmte Unterlagen Verfilmungs-zeitpunkt
Kreiskranken-haus Forst/ Lausitz 16-mm-Rollfilm DAT 16, Jacket Selbst 1976 Akten stationär behandelter Patienten Sofort-verfilmung
Bezirks-krankenhaus Schwerin Planfilm A 100 Auftrag 1976 Befunde des Nuklearmedizi-nischen Instituts 3 Jahre Zwischen-archivierung
Friedrich-Schiller-Universität Jena 16-mm-Rollfilm DAT 16, Filmrolle Selbst 1977 Akten stationär behandelter Patienten 5 Jahre Zwischen-archivierung
Betriebs-poliklink VEB Keramische Werke Hermsdorf Planfilm A 100 Auftrag 1978 Akten ambulant behandelter Patienten Altakten-verfilung
Bezirks-krankenhaus Frankfurt (O.) 16-mm-Rollfilm DAT 2 und DA 5, Jackett Selbst 1983 Akten stationär behandelter Patienten Sofort-verfilmung
Poliklinik Johannisstr. Berlin 16-mm-Rollfilm DAT 2, Filmrolle und Jacket Selbst 1983 Akten ambulant behandelter Patienten variabel


Nach langen Diskussionen ist die AG der Meinung, dass es zur Zeit nicht angestrebt werden sollte, ein "einheitliches Rahmenprojekt" zu schaffen, wenn auch gewisse Gemeinsamkeiten bei der MFT - Anwendung in der Medizin z. B. beim technisch-organisatorischen Ablauf schematisch dargestellt werden können (Bild 1). Als Zusammenfassung des Standpunktes der AG zum Thema insgesamt ist das entsprechende Kapitel in den " Arbeitsmaterialien zur planmäßigen weiteren Einsatzvorbereitung der Mikrofilmtechnik an Hochschulen" [7] anzusehen. Besonderes Augenmerk richtete die AG auf die Patientenakte selbst, als Vorlage für die Mikroverfilmung. Dabei haben wir bei der bestehenden Heterogenität im Vergleich zu "klassischen" Vorlagen für den Mikrofilm (z. B. technische Zeichnungen, Bücher, Zeitschriften) sowohl auf die allgemeine, ordnungsgemäße Dokumentation laut Rahmenkrankenhausordnung als auch auf mikrofilmspezifische Anforderungen Wert gelegt [8], [9], [10].In einer größeren Analyse haben wir zu Mängeln, die vor der Verfilmung auch bei Verwendung des Mikroaufnahmefilms MA 8 (VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen) zu beseitigen sind, Stellung bezogen (Tabelle 2). Aus heutiger Sicht ist zu sagen, dass, wenn auch bei weitem nicht alle drucktechnischen Möglichkeiten ausgeschöpft sinf, wir die "Einheitliche stationäre und ambulante Betreuungsdokumentation" für empfehlenswert halten [11]. Eine weitere Verbreitung dieser Vordrucke erscheint wünschenswert. Eine unabdingbare Notwendigkeit bleibt es trotzdem, dass innerhalb einer Arbeitsordnung, die die Arbeit der Mikroverfilmung im Krankenhaus regelt, eine Anweisung zur mikrofilmgerechten Gestaltung der Patientenakte existiert [7], [8]. Das Herangehen kann dabei durchaus auf das spezifische Informationsbedürfnis des Krankenhauses zugeschnitten sein, wenn Probeverfilmungen vorausgegangen sind. Wie unsere Erfahrungen zeigen, führt eine derartige Anwendung nach anfänglicher Reserviertheit zu einer deutlich verbesserten Dokumentation der patientenbezogenen Information in der papiernen Akte insgesamt. Auch zu anderen Fragestellungen des MFT- Einsatzes in der Medizin bezog die AG Stellung. In rechtlicher Hinsicht sind wir der Meinung, dass die "Richtlinie für Mikroverfilmung von Schrift und Zeichnungsgut vom 19. 9. 1972" (Gesetzblatt DDR) den Weg für die Anwendung der MFT in der Medizin abnet. Wie die Praxis seit 1977 in der DDR zeigt, gab es keine rechtlichen Probleme in den medizinischen Einrichtungen, die Ersatzverfilmung praktizieren. Seit 1980 arbeiten wir aktiv an der Problematik des elektrofotografischen Filmmaterials mit, wobei uns hier besonders die technisch-organisatorisch interessante Ergänzungsfähigkeit des Mikrofilms interessiert. Schließlich sind wir aussagefähig zu Fragen der aktiven Nutzung des Mikrofilms [12], zur Röntgenmikroverfilmung, zum Einsatz des Mikrofilms für die krankenblattbezogene Forschung, zum, Modus der Auftragsverfilmung und haben jederzeit unsere kritische Meinung hinsichtlich der materielltechnischen Basis (Rollfilmtechnik) geäußert.

Tabelle 2: Allgemeine und mikrofilmspezifische Mängel der Patientenakte ( aus [8] modifiziert )
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1. Allgemeine Mängel

- Fehlen und Unvollständigkeit des Arztbriefes,
- Krankenblattvorderseite stark beschädigt,
- Unleserliche Handschrift und Stempel,
- EKG unsauber geklebt und unleserlich beschriftet,
- Unsaubere Korrekturen,
- Doppelinformation (z. B. Laborwert auf Originalbeleg und in Verlaufsdokumentation),
- Verwndung von Bleistift
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2. Mikrofilmspezifische Mängel

- Anwendung kontrastarmer Dokumentationsmittel ( z. B. "blasse" Kugelschreibermine),
- Verwendung kontrastarmer Vordrucke (z. B. EKG-Raster) und Durchschläge bzw. Vervielfältigungen,
- Anwendung von Farben mit Symbolcharakter,
- Beschriftete Rückseiten scheinen durch,
- Einzelbelege geheftet oder geklebt

Nicht ohne Stolz verweisen wir auch auf unseren Beitrag zur Produktion von Mikrofilmlupen in der DDR [13], [14]. Die Lupe Mikrofilu (Bild 2) war als Vorläufer des Mikrofilm-Handlesegeräts HL 100 (Kombinat VEB Carl Zeiss JENA) weitgehend von der Arbeitsgruppe entwickelt worden und war Ausstellungsgegenstand der Leipziger Frühjahrsmesse 1983. Diese Erwähnung soll nicht nur rein historischen Charakter haben, sondern will auch darauf verweisen, dass eine kleine Arbeitsgruppe wie die unsere durchaus beachtenswerte praktische Resultate hervorbringen kann.

3. Ausblick

- Unsere AG versteht sich auch weiterhin als Konsultationspunkt für medizinische Einrichtungen, die sich der Anwendung der MFT für die patientenbezogene Information zugewandt haben bzw. zuwenden möchten. Dabei betrachten wir jederzeit eine Lösung für die Information und Dokumentation der betreffenden medizinischen Einrichtungen insgesamt, d.h. wir vergessen weder den Wert der EDV noch den der papiernen Akte. Wir meinen, in diesem Gesamtfeld den Platz des Mikrofilms recht gut zu kennen (Tabelle 3). Für die Zukunft haben wir uns vorgenommen, verstärkt folgenden Schwerpunkten Aufmerksamkeit zu schenken.
- Die Verbindung von MFT und EDV sollte den Erfordernissen und Möglichkeiten entsprechend geschehen: also rationell, von Nutzen für die medizinische Betreuung, Lehre und Forschung geprägt und damit praktikabel sein. Mit Spannung erwarten wir den weiteren Beitrag der EDV bei der Dokumentation patientenbezogener Daten in unseren medizinischen Einrichtungen durch den Einsatz von Büro- und Personalcomputern. Dabei sollten neben bereits erreichten praktischen Ergebnissen vor allem folgende qualitative Verbesserungen zu erlangen sein: Rationalisierung der Verwaltungsarbeit, Textverarbeitung, Hilfe bei der Recherche patientenbezogener Informationen u. a. Jedoch wird das Einsatzgebiet sicher nicht bei der langjährigen Archivierung redundanter Daten zu finden sein, wie wir es beispielsweise bei der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungspflicht für Patientenakten (30 Jahre) vorfinden. Hier, so meinen wir, werden das Papier und damit auch der Mikrofilm insgesamt gesehen auch weiterhin die rationellsten Informationsträger bleiben.

2. Mikrofilu (Leipziger Frühjahrsmesse 1983)

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Tabelle 3: Nutzeffekte beim Einsatz der Mikrofilmtechnik für die Speicherung patientenbezogener Informationen (aus [12])
- Raumersparnis etwa 95 %,
- Verbesserung der Archivsicherheit,
- Schneller Zugriff,
- Ständige Aktualität der Speicher,
- Rationelle Speicherung von Informationen mit hoher Redundanz

- Durch Förderung der territorialen Rationalisierung, dem Abschluß von Kommunalverträgen u. a. sollte durch die sozialistische Gemeinschaftsarbeit den medizinischen Einrichtungen ein breiterer Zugang zu vorhandenen MF-Stellen gebahnt werden. - Der Erfahrungsaustausch der AG wird national und international weitergeführt, z. B. mit dem Krankenhaus Szekszárd (Ungarische VR), [15]. Auch aus entsprechenden Einrichtungen der Sowjetunion, CSSR, VR Rumänien, BRD und Berlin (West) ist Interesse an unserer Arbeit geäußert worden. - Die AG wirkt an der einheitlichen stationären und ambulanten Betreuungsdokumentation mit. - Bestehende Aktivitäten zum elektrofotografischen Mikrofilm werden weiterhin von uns mitgetragen. In diesem Sinne hoffen wir, auch in Zukunft einen Beitrag zu einem sinnvollen Einsatz der Mikrofilmtechnik in der Medizin zu geben.

Literatur
[1] Einsatz des Mikrofilms im Krankenhaus / Müller, G.; Sollorz, S.- Vortrag, Deutscher Krankenhaustag.-Düsseldorf, 1969
[2] Ein Mikrofilmorientiertes Zentralarchiv für Patientenakten in einem Großklinikum / Möhr, J. R.; Tramp, H. J.- In: Der Krankenhausarzt. - Karlsruhe 48 (1975) 6. - S.2 bis 14
[3] Mikrofilmtechnik zum Nutzen der Patienten / Lerche, B. In: Organisation. - Leipzig 11 (1977) 3. - S. 35-37
[4] Mikrofilm und Lochstreifen statt umfangreicher Patientenakten / Lerche. B. In Organisation. - Leipzig 11 (1977) 6. - S.21-24
[5] Mikrofilmanwendungen im amerikanischen Gesundheitswesen / Otten, K. W. - In: Mikrodok. - Langenfeld 18 (1977). - S. 7-8
[6] Archivierung von Patientenakten / Kaestner, l. - In: Mikrodok. - Langenfeld, 18 (1977). - 13-14
[7] Zum Einsatz der Mikrofilmtechnik (MF) zur Speicherung und Bereitstellung patientenbezogener Informationen / Autorenkollektiv. - In: Arbeitsmaterialien zur planmäßigen weiteren Einsatzvorbereitung der Mikrofilmtechnik an Hochschulen. - Zentralinstitut für Hochschulbildung Berlin, 1984, - 68S.
[8] Vorlagengestaltung - Bestandteil der Einsatzvorbereitung der Mikrofilmtechnik / Eckstein, D.; Rückert, J.; Heinrich, l.: Lerche, B. - In: Organisation. - Leipzig 14 (1980) 2. - S. 39-40
[9] Verbesserte Wiedergabe roter Farbtöne in Grauwerten bei der Mikroverfilmung von Patientenakten / Eckstein, D.; Rückert, J. - In: Bild und Ton. - Leipzig 33 (1980) 11. - S. 349
[10] Einsatz der Mikrofilmtechnik zur Speicherung und Bereitstellung patientenbezogener Informationen / Harhoff, St.; Eckstein, D. - In: Dt. Gesundheitswesen. - 36 (1981) 34. - S. 1436-1440
[11] Mitteilung über die Einführung einer stationären Betreuungsdokumentation. In: Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Gesundheitswesen. - Berlin (1981, 04-05)
[12] Zur aktiven Nutzung der Mikrofilmtechnik (MFT) im stationären Gesundheitswesen / Eckstein, D.; Karsten, U.; Lerche, B. - In: Z. ärztl. Fortbild. - Jena 76 (1982) 17.- S. 801-802
[13] Zu Fragen der materiell-technischen Basis des Mikrofilmeinsatzes in der medizinischen Betreuung / Eckstein, D.; Harhoff, St. - In: Organisation. - Leipzig 15 (1981) 2. - S. 40-42
[14] Mikrofilmlupe "mikrofilu" / Eckstein, D.; Richter, W. - In: Dt. Gesundh.-wesen. - Berlin 39 (1984) 34. - S. 1359
[15] Erfahrungsaustausch mit dem Krankenhaus Szekszárd (Dienstreisebericht)

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